225 Jahre Annette von Droste-Hülshoff
Eine »spirituell wegweisende und kirchenlehrende Theologin«. Ottmar Fuchs zum 225. Geburtstag einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dichterinnen
Aktuelles Glaube GesellschaftIn diesen Tagen vor 225 Jahren wurde am 10. oder 12. Januar 1797 – die Quellen nennen diese beiden Tage – eine der bedeutendsten deutschsprachigen Dichterinnen des 19. Jahrhunderts auf der Wasserburg Hülshoff bei Münster geboren: Annette von Droste-Hülshoff. Ihre Eltern und Familien gehörten altem Münsterischen und Paderborner Adel an, waren in der damit zusammenhängenden stark katholisch geprägten und aristokratischen Kultur Westfalens verwurzelt und standen der Katholischen Aufklärung nahe.
Hineingeboren wurde Annette von Droste-Hülshoff in die Zeit des Biedermeier, die in ihrer Heimat, aber nicht nur dort, geprägt war von politischen Umbrüchen und wirtschaftlicher Einschränkungen. Nach der Säkularisation des Hochstifts Münster im Jahr 1803 war ihre Heimat mit einer kleinen Unterbrechung ein Teil Preußens. Die Stationen ihres weiteren Lebens waren zunächst Orte in Westfalen und im Rheinland, dann in Baden, wo sie ab 1841 vorwiegend bei ihrer Schwester und ihrem Schwager auf Schloss Meersburg am Bodensee wohnte. Am 24. Mai im Revolutionsjahr 1848 ist die Dichterin dort gestorben.
Vieles weiß sie in Worte zu fassen
Auch ein noch so rascher Blick auf die Gestalt und das Leben Annette von Droste-Hülshoffs zeigt etwas für ihre Zeit ganz Außerordentliches: ihr waches und breites Interesse sowie ihr Engagement weit über den caritativen Bereich hinaus. Sie war fasziniert von der Natur, von Naturbeobachtungen und naturwissenschaftlichen Büchern. Und: Ihr breites Interesse ließ sie immer deutlicher Differenzen erfahren, nicht zuletzt zwischen naturwissenschaftlichen Fragestellungen und Erkenntnissen und den Überzeugungen ihres katholischen Glaubens, so dass zu ihrer Verwurzelung im Glauben auch immer deutlicher eine Verunsicherung spürbar wurde. Vieles von dem, was Annette von Droste-Hülshoff erfuhr und was sie bewegte, fasste sie in Worte: Gedichte, Balladen, die Novelle »Die Judenbuche«, Lieder und eigene Kompositionen geben ein reiches Zeugnis davon.
Ihr faszinierenstes literarisches Zeugnis
Ein Werk, in dem wie in einem Brennglas ihre Erfahrungen, die Verunsicherungen, Brüche und Differenzen ihres Lebens gebündelt sind, stellt ihr »Geistliches Jahr« dar, ein faszinierendes literarisches Zeugnis, das Ottmar Fuchs in seiner großen Monografie »Subkutane Revolte. Annette von Droste-Hülshoffs ›Geistliches Jahr‹. Eine theologische Entdeckung« spannend, einfühlsam und immer wieder Neues entdeckend erstmals aus einer theologischen Perspektive vorstellt. In einer gekonnten Mischung aus persönlicher Ergriffenheit und wissenschaftlicher Rationalität erschließt er über das »Geistliche Jahr« die Persönlichkeit Annette von Droste-Hülshoffs als eine Frau, die in ihren Texten kritisch ihre Zeit, den Glauben und das Leben analysiert und reflektiert.
Für Ottmar Fuchs wird somit die Beschäftigung mit Annette von Droste-Hülshoff zu einer intensiven Begegnung mit ihrer Spiritualität und zu einer herausfordernden Richtungsanzeige für unsere Gegenwart und Zukunft. In dieser Perspektive ist es überaus lohnend, das »Geistliche Jahr«, das Werk, das Droste am meisten am Herzen lag, in das Gespräch mit gegenwärtigen Sorgen, Verlusten und Hoffnungen zu bringen.
Ottmar Fuchs ist überzeugt: Annette von Droste-Hülshoff wird nur recht verstanden, wenn sie in ihrer Zeit und heute als eine spirituell wegweisende und kirchenlehrende Theologin gewürdigt wird. Zu einer Begegnung mit dieser spannenden Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts lädt uns heutige Leserinnen und Leser dieses Buch immer wieder neu ein!