Anfang dieses Jahres wussten nur wenige in Europa von einem Virus namens »Corona«. Viele horchten jedoch beim wegen der Krise gespendeten außerordentlichen Segen »urbi et orbi« des Papstes auf dem leeren Petersplatz Ende März auf, als dieser die heilige Corona erwähnte. Wer war diese Heilige? Hat sie eine Botschaft für die gegenwärtige Situation? Und wenn ja: welche? Lassen sich durch sie Ermutigungen aus einem Dialog zwischen Geschichte und Gegenwart gewinnen?
Über Herkunft und Wirkung der heiligen Corona
Eine Woche nach Ostern sprach der Schweizer Außenminister Ignazio Cassis mit Blick auf Europas Lage von einer Gesundheitskrise, die »bereits in eine Wirtschafts- und Finanzkrise und schließlich… zu einer sozialen Krise« führe. Ähnliche Erschütterungen erlebte das Römische Reich um 300 n. Chr., in dem Corona von Ägypten lebte und wirkte: Die Grenzen wankten, weite Teile Europas fürchteten Migrationsströme, Seuchen wüteten, eine Wirtschaftskrise verschärfte sich und soziale Spannungen spitzten sich zu.
Was hätte daher die heilige Corona in der gegenwärtigen Corona-Krise zu sagen? Gibt es eine innere Verbindung zwischen ihrem Geschick, der radikalen Verunsicherung vieler Menschen, der globalen Gefährdung ganzer Bevölkerungsgruppen und der Gefahr des Absturzes eben noch blühender Volkswirtschaften? Weshalb breitete sich die Verehrung der antiken Märtyrerin von Ägypten bis ins mittelalterliche Bayern und Österreich aus? In welchen Anliegen fanden Besorgte bei ihr Trost und Hoffnung? Und wozu könnte uns die Schwester aus früherer Zeit, die schon als Teenager starb, in der aktuellen Situation ermutigen?
Wie uns durch Krisen ein neues soziales Miteinander gelingen kann
Der spirituelle Essay von Niklaus Kuster schlägt eine Brücke zwischen der Lebenskunst früherer Menschen und unserer modernen Lebensphilosophie. Er möchte nicht nur den Blick, sondern auch das Herz weiten: Corona wurde von unseren Vorfahren auch nördlich der Alpen als beherzte junge Frau dargestellt, deren Leben unerwartet erschüttert wurde und die sich, obwohl sie selbst gefährdet war, solidarisch zeigte. Dass nicht nur Viren über alle Grenzen ansteckend sind, sondern dass auch Solidarität ansteckend sein kann, erweist sich in diesen Wochen auf bewegende Weise. Corona findet also moderne Gefährtinnen, und ihre Geschichte spricht ebenso ernst in unsere Zeit wie kraftvoll in unerwartete Krisen.
Der Text entstand auf dem Höhepunkt der ersten weltweiten Pandemiewelle. Er schaut mit wachem Blick in die Gegenwart und bringt diese ins Gespräch mit der Geschichte. Streiflichter auf Coronas Biografie und in die Frühe Kirche verbinden sich mit der Ermutigung, die Chancen in der aktuellen Krise zu erkennen. Tatsächlich erwacht der Sinn für ein neues Miteinander, das sich bereits jetzt sozial, national und global spürbar macht. Die Frühe Kirche, in der Corona lebte, trägt dazu vielseitige Impulse aus der christlichen Spiritualität bei.
Lesen Sie hier den spirituellen Essay von Niklaus Kuster.