»Die Welt dreht sich – ob mit oder ohne meine Sorgen.«
Beate Hofmann im Gespräch über Resilienz und was ihr in Ausnahmesituationen hilft. Aus unserer Reihe »Was stärkt uns in Krisenzeiten«
Resilienz Interview Natur AchtsamkeitWir leben in äußerst herausfordernden und belastenden Zeiten. Viele Menschen fragen sich, was sie tun können, um seelisch unbeschadet durch diese schwierigen Zeiten zu kommen.
In unserer kleinen Interview-Reihe »Was stärkt uns in Krisenzeiten?« sprechen wir mit Menschen, die sich seit vielen Jahren eben dieser Frage auf ganz unterschiedliche Weise genähert haben. Sie erzählen uns, was ihnen in Ausnahmesituationen hilft und wie sie ihre Resilienz stärken, ihre seelischen Widerstandskräfte fördern.
Heute im Gespräch: Beate Hofmann
Beate Hofmann stärkt Menschen. Als Seelsorgerin am Universitätsklinikum Tübingen, Autorin und Coach steht sie für Soulpower, Resilienz und Tiefsinn. Gerade angesichts schwieriger und wechselvoller Zeiten ist sie der Überzeugung, dass es darauf ankommt, Wege zu finden, wie wir unsere Seele nähren und Lebensfreude mitten im Alltag kultivieren. Als Kursleiterin unterstützt sie Menschen bei Sinnfindung, Selbstfürsorge und Stärkung ihrer seelischen Widerstandsfähigkeit.
Lebe gut: Frau Hofmann, was stärkt Sie in Krisenzeiten?
Beate Hofmann: Es sind gute Rituale, die ich mir aufbaue und die meinem Leben gerade in unübersichtlichen Zeiten Halt geben. Ich beginne bewusst jeden Morgen mit einer Zeit der meditativen Stille und einer kleinen (R)Auszeit in der Natur. Unser Hund ist dabei ein perfekter Taktgeber. Den Tagesbeginn mit allen Sinnen zu erleben, Vögel zu hören und den Tau auf dem Gras zu sehen – das alles erdet mich. Sehr gerne schreibe ich meine Gedanken danach auf und oft entstehen kraftvolle Texte, die ich mit Fotos kombiniere. Ich nutze sie als »Soulfood« für andere und für mich selbst. Wenn ich andere Menschen damit inspiriere, kommt deren Freude direkt zu mir zurück und ich spüre die Verbundenheit und Resonanz als Wirksamkeit.
Lebe gut: Wenn Ängste und Sorgen doch überhandnehmen – zu welchen »Notfallmaßnahmen« greifen Sie?
Beate Hofmann: Stille stillt! Ich gehe nach innen und nach draußen zugleich. Einen Sonnenuntergang zu beobachten, also bewusst zu warten, bis die Sonne am Horizont langsam verschwindet, ist ein perfektes Mittel um zu merken, dass es größere Rhythmen gibt. Die Welt dreht sich – ob mit oder ohne meine Sorgen. Ich bin ein Teil des Ganzen und das nimmt den Druck, alles »machen« zu müssen oder für alles die Verantwortung zu tragen. Dies ist eine Art des Betens, bei der ich schweigend oder mit sehr wenig Worten auskomme und mich gehalten fühle.
Zugleich plädiere ich dafür, immer wieder auf die Haltung zu achten, mit der wir selbst dem Leben begegnen. Nicht was wir erleben, sondern wie wir damit umgehen, macht letztlich den Unterschied. Mir sagte eine Frau, die mit großer Liebe und Ruhe ihren sterbenden Mann die letzten Tage begleitete: »Als es uns gut ging, habe ich doch auch nicht gefragt, warum gerade wir? Es ist, was es ist – und wir gehen jetzt gemeinsam da durch.« So eine Haltung ist bewundernswert. Ich sehe eine große Akzeptanz, eine Annahme dessen was ist und das stärkt die Seele viel mehr, als etwas zu verweigern, zu verschweigen oder abzulehnen.
Daher ist es eine sehr gute Notfallmaßnahme, eine annehmende oder dankbare Haltung zu entwickeln. Notieren Sie für sich selbst oder erzählen Sie doch am Abend einer Freundin oder ihrem Partner, was heute Gutes oder Gelungenes in diesem Tag war.
Lebe gut: Schauen wir gemeinsam in die Zukunft: Was wünschen Sie sich für sich und ihre Mitmenschen?
Beate Hofmann: Dass es uns gelingt, das Gute und Staunenswerte in unserem Lebens- und Arbeitsumfeld immer neu wahrzunehmen. Dass wir einen Sinn für das Mögliche entwickeln und unsere Spielräume nutzen. Ich wünsche mir eine Haltung der Dankbarkeit und des (Selbst)Mitgefühls, die uns Menschen miteinander verbindet. Wenn jede und jeder an seinem Platz Leuchtkraft entwickelt, können wir auch dunkle Zeiten bestehen und erhellen.