Wie wir in einer digitalen Welt glücklich werden können

Medienresilienz, so Sabria David, bedeutet einen positiven und souveränen Umgang mit Smartphone & Co. Im Interview erklärt sie, wie wir auch in einer digitalen Welt erfüllt leben können

Interview Gesellschaft Ratgeber Achtsamkeit

Soziale Medien und digitale Technologien haben unser Leben ­binnen kurzer Zeit radikal verändert. Doch wie können wir diesen grundlegenden Wandel selbstbestimmt mitsteuern? Sabria David prägt für diesen positiven und souveränen Umgang mit Smartphone & Co. den Begriff der Medienresilienz. Es geht ­darum, die Digitalisierung nicht als ein rein technisches Phänomen misszuverstehen, sondern die urmenschlichen Sehnsüchte und Ängste, die uns ins Netz ziehen, in den Blick zu nehmen. Denn so können wir auch die Frage beantworten, was wir tun können, um in einer digitalen Welt glücklich und erfüllt zu leben.

Lebe gut:  Für viele ist die Digitalisierung immer noch ein eher abstrakter Begriff. Man weiß nicht so recht, was damit gemeint ist und vor allem, was sie für einen selbst bedeutet. Sie bezeichnen die Digitalisierung als eine „Infragestellung aller unserer gewachsenen Prozesse“. Das klingt dramatisch …

Sabria David: Dramatisch ist die Digitalisierung nicht, eher fundamental. Infragestellungen müssen ja nicht zwangsläufig dramatisch sein. Sie fordern von uns aber, einen Schritt aus den Alltagsroutinen herauszutreten und uns zu fragen, was wir überhaupt wollen. Sie laden dazu ein, strategisch zu denken und sich über seine Ziele und Visionen klarzuwerden. Wir können auch sagen: Die Digitalisierung zwingt uns, erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Und wie bei dem Erwachsenwerden kann man das natürlich noch sehr lange vor sich herschieben. Ohne Vision für eine gute digitale Gesellschaft läuft man den Sachen aber hinterher. Das kann man so machen, aber dann kommt man nicht da an, wo man hin will.

Was Digitalisierung mit uns Menschen zu tun hat

Lebe gut:  Die Digitalisierung wird in der Regel als ein technisches Thema angesehen – Sie hingegen plädieren dafür, den Blick dabei vielmehr auf den Menschen zu richten. Weshalb?

Sabria David: Weil es Menschen sind, die die Technik entwickeln. Weil es Menschen sind, die sie nutzen und weil die digitale Infrastruktur unsere zutiefst menschlichen Bedürfnisse nach Nähe, Kontakt und Verbundenheit anspricht. Außerdem glaube ich daran, dass Technik ohne eine adäquate Kulturtechnik – also den angemessenen Umgang mit ihr – keinen Sinn macht. Auf der praktischen Seite sehen Sie das bei großen IT-Projekten und technischen Neuerungen in Unternehmen, wie die Einführung eines Social Intranets, digitaler Akten oder anderer digitaler Prozesse. Wenn diese Projekte in den Organisationen scheitern, dann scheitern sie selten an der Technik selbst, sondern daran, dass die Einführung der neuen tollen Technik nicht auch soziokulturell begleitet, flankiert, worden ist. Die Menschen wissen dann nicht, was sie damit anfangen sollen, fühlen sich übergangen und überfordert.

Lebe gut:  Während Bücher und Zeitungen eher Einbahnstraßen der Information waren, so Ihre These, haben die Sozialen Netzwerke den Charakter des offenen Forums. Jeder kann am Diskurs teilnehmen, jeder sitzt mit am Stammtisch. Die Folgen allerdings sind nicht immer erfreulich – Stichwort Verschwörungsmythen und Fake News.

Sabria David: Das hängt damit zusammen, dass sich im digitalen Raum Mündlichkeit und Schriftlichkeit vermischen. Das ist kulturhistorisch ein ganz starker Umbruch, nach den wenigen Jahrhunderten der statischen Druckkultur. Ich habe vor Jahren dazu eine Formel entwickelt, sie lautet: Das Internet ist ein Schriftmedium, das nach den Regeln der Mündlichkeit funktioniert. Das bedeutet, Sie haben mit Chats, Messenger-Nachrichten, Blogs und Mails eine Art verschriftlichte mündliche Kommunikation. Das Positive ist, dass dadurch Gespräch und Austausch möglich werden, auch wenn Sie nicht nebeneinandersitzen. Andererseits zeigen auch Fake News und Verschwörungsmythen, wie verwandt diese Kommunikationsform mit Gerüchten und Stammtischgesprächen ist. Das ist die Schattenseite des mündlichen Erbes.

Wie wir den digitalen Wandel zu unserer eigenen Sache machen

Lebe gut: Wie geht es mit der Digitalisierung weiter? Können wir in einer digitalen Welt tatsächlich glücklich werden, um den Untertitel Ihres Buches aufzugreifen, oder werden wir uns an eine Zunahme von Widersprüchen, Friktionen und Veränderungen gewöhnen müssen?

Sabria David: Wir werden uns an eine Zeit ständiger Veränderung gewöhnen müssen. Die Zeiten, da zwischen einer gesellschaftlichen Veränderung und der nächsten eine längere Phase der Ruhe und Berechenbarkeit herrschte, sind vorbei. Die Veränderung selbst ist unser Grundzustand geworden. Hier können wir aber viel von unseren Kindern und ihrem Umgang mit der Digitalisierung lernen: Sie sind neugierig, haben keine Angst vor Fehlern und lieben die Veränderung. Auch wir müssen den Wandel bejahen und gleichzeitig darauf bestehen, ihm eine gute Gestalt zu geben. Diese Gestaltungskraft müssen wir uns auch zutrauen, sonst lassen wir uns vom digitalen Wandel treiben. Wir müssen den digitalen Wandel zu unserer eigenen Sache machen.


© Annette Schwindt

Sabria David

Sabria David ist Medienforscherin und Mitgründerin des Slow Media Instituts. Sie berät und forscht zu den Phänomenen des Medienwandels, hält Vorträge und Seminare und berät Organisationen im Digitalisierungsprozess. Sie lebt in Bonn.
www.sabria-david.de 

Weitere Produkte zum Thema

12344 false true false 0 true false 4 1 true