Resilienz als Widerstands- und Lebenskraft

Durch bestimmte Lebenseinstellungen und Grundhaltungen können wir unsere seelische Widerstandskraft fördern. Ein Beitrag von Brigitte Dorst

Resilienz Ratgeber Lebenshilfe

Resilienz kann als eine Art psychisches Immunsystem verstanden werden, das die inneren Stabilisierungs- und Heilkräfte umfasst. Es geht um die Widerstandskräfte der Seele, die uns befähigen, in schwierigen Lebenssituationen seelisch im Gleichgewicht zu bleiben bzw. es wiederzugewinnen.

Was ist Resilienz?

Resilienz kann als eine Art psychisches Immunsystem verstanden werden. Das Wort »Resilienz« kommt vom lateinischen resilire, zurückspringen, abprallen. Im Bereich der Physik bezeichnet dieser Begriff die Elastizität eines Materials unter der Einwirkung von Druck und Belastung. In der deutschen Sprache gibt es kein entsprechendes Wort für Resilienz. Es hat zu tun mit Stärke und Flexibilität; für manche Bereiche können wir auch von Krisenkompetenz sprechen und meinen damit die Fähigkeiten, mit seelischen Belastungssituationen und traumatischen Erfahrungen so umzugehen, dass die Spannungen ausbalanciert und die entstandenen Probleme bewältigt werden können.

Resilienz bedeutet nicht, zum »Stehaufmännchen« zu werden, das, nachdem es niedergedrückt wurde, reflexhaft wieder hochschnellt. Es geht vielmehr darum zu lernen, verständnisvoller, fürsorglicher und kompetenter mit sich selbst umzugehen. Das Ziel ist nicht, sich unter Selbstoptimierungsdruck zu setzen – im Gegenteil: Es geht darum, mit mehr Gelassenheit und weniger Anspannung die täglichen Anforderungen des Lebens anzunehmen und auch Krisen und besondere Belastungssituationen besser zu bestehen und daran zu wachsen.

Ein besonders wichtiger Bestandteil der Resilienz ist die Einstellung, sich selbst nicht einfach als Opfer ungünstiger Umstände oder des Schicksals zu sehen, sondern die Überzeugung zu haben, das eigene Leben positiv beeinflussen und gestalten zu können. Diese sogenannte Selbstwirksamkeit gilt auch für Menschen, die traumatische Erfahrungen machen mussten: Nicht jeder Betroffene leidet nach einem Trauma an posttraumatischen Belastungsstörungen.

Resilienz fördernde Grundhaltungen

Im Zusammenhang mit Resilienz sind einige Grundhaltungen und Lebenseinstellungen besonders wichtig. Es sind: Selbstakzeptanz, Hoffnung, Selbstwirksamkeit, gute Selbstsorge, Gelassenheit, Humor und Spiritualität.

Selbstakzeptanz bedeutet, sich seiner Ich-Identität bewusst zu sein, sich mit seinen Stärken und Schwächen wahrzunehmen und anzunehmen. Dies zeigt sich darin, wie jemand mit eigenen Fehlern sowie mit Fremd- und Selbstkritik umgeht. Selbstakzeptanz lässt sich auf die einfache Grundformel bringen: »Ich bin okay« – als ein Mensch im Werden, in einer lebenslangen Entwicklung, auf dem Weg der Individuation.

Hoffnung ist eine Kraft, welche die Zukunft offen lässt für Wandlung, Veränderung und Gelingen. Hoffnung als Grundhaltung ist nichts Oberflächliches, bedeutet nicht ein »Es ist doch alles nicht so schlimm«, sondern ein »Auch wenn es schlimm ist« – genau in dieser schlimmen Situation bleibt eine Hoffnung auf Verbesserung und Änderung. Eine positive, optimistische Haltung vermag auch im Schwierigen und Schlechten noch nach dem möglichen Guten zu suchen – mit der Kraft der Hoffnung, die Sinn darin sieht, sich aktiv um Veränderung zu bemühen.

Selbstwirksamkeit bezeichnet die Erwartung, die wir in Bezug auf die Wirksamkeit unseres Handelns haben. Ein handelnder Mensch, eine wirkende Kraft zu sein, heißt, durch eigenes Tun Dinge absichtsvoll geschehen zu lassen. Selbstwirksamkeit ist eine optimistische Einschätzung der eigenen Lebensbewältigungskompetenz, ein Bewusstsein von den eigenen Fähigkeiten, die jeweiligen Anforderungen und Aufgaben bewältigen zu können.

Gute Selbstsorge umfasst alle Bereiche des Lebens: die Beziehung zu sich selbst, die Arbeit, Beziehungen zu anderen Menschen und auch die Sorge um sie sowie das politische Handeln. Gute Selbstsorge meint gerade nicht den egoistischen Rückzug in eine Wellness-Ich-AG. Indem ich mich mit mir selbst beschäftige, werde ich fähig, mich mit anderen zu beschäftigen. Weil ich gut für mich sorge, bin ich auch bereit, dem Gemeinwohl zu dienen.

Man kann die eigene gute Selbstsorge z.B. mithilfe folgender Fragen überprüfen:


Übung: Meine eigene gute Selbstsorge

  • Bin ich mir selbst eine gute Freundin, ein wohlmeinender echter Freund oder eine scharfe, gnadenlose Kritikerin, ein Antreiber, für den nichts gut genug ist?

  • Fällt es mir schwer, mir selbst ab und an wohlwollend etwas zu erlauben, auch wenn es nicht notwendig ist?

  • Kann ich mir selbst Gutes gönnen, z.B. genügend freie Zeit?


Gelassenheit ist eine Lebenshaltung, die einzuüben ist. Sie hat nichts zu tun mit Gleichgültigkeit, Resignation oder Apathie. Ein Mensch, den diese Tugend auszeichnet, nimmt Anteil an allem, aber ohne sich zu verwickeln. Im Wort »Gelassenheit« steckt das »Lassen«: Menschen, Dinge, Situationen lassen zu können, ohne durch Zwang etwas »machen« zu müssen. Gelassenheit ermöglicht auch, sich mit Erinnerungen an bestandene Schwierigkeiten und Krisen zu ermutigen.

Humor hat eine wichtige entspannende und Resilienz fördernde Wirkung. Humor ist eine heitere Reaktion auf etwas Komisches, Witziges oder Absurdes, Misslungenes. Gemeinsam über etwas lachen zu können, schafft Verbindung und Gemeinschaft. Bereits ein Lächeln vermag Stress-Symptome zu reduzieren. Lächeln und Lachen wirken auf das vegetative Nervensystem; Probleme und auch körperliche Schmerzen werden als weniger stark erlebt. Humor stärkt das Wohlbefinden und eine optimistische Haltung zum Leben.

Spiritualität ist eine geistige Orientierung, die sich auf Werte- und Sinnfragen bezieht und für viele heutige Menschen weder kirchlich-konfessionell bestimmt noch auf ein traditionelles Gottesbild bezogen ist. Sie spüren ihre Verbundenheit mit dem größeren Ganzen in der Natur, bei meditativen Übungen, machen spirituelle Erfahrungen in der Liebe, in der Zuneigung zu anderen Menschen, in der Sinnhaftigkeit ihres Tuns. Besonders in Krisenzeiten ist es hilfreich, sich mit einer höheren Kraft, einem größeren Ganzen zu verbinden und sich als einen Teil zu sehen von dem, was alles umfasst.


Übung: Spiritualität als innere Kraftquelle

  • Welche Form von Spiritualität ist ein wichtiger Teil Ihres Lebens?

  • Welche Formen von spiritueller Praxis stärken Sie?


Über die Autorin

Brigitte Dorst

Brigitte Dorst

Dr. Brigitte Dorst, Professorin für Psychologie, Jung’sche Analytikerin und Psychotherapeutin in eigener Praxis in Münster, ist Lehranalytikerin u.a. am C. G. Jung-Institut Stuttgart. Zu ihren…

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