Resilienz fördern mit Symbolen

Brigitte Dorst zeigt uns mit zwei Symbol-Übungen, wie wir unsere Resilienz im Alltag stärken können

Resilienz Ratgeber Lebenshilfe

Ein tiefenpsychologisches Verständnis von Resilienz

Aus tiefenpsychologischer Sicht bedeutet Resilienz, mit Hilfe von Phantasie, Imagination und Intuition Zugang zu inneren Kraftquellen zu finden, um die seelische Gesundheit zu stärken und Kräfte der Heilung zu aktivieren. Besonders in den tiefenpsychologisch ausgerichteten Therapieformen arbeiten wir mit heilsamen inneren Bildern. Es gibt innere Bilder, die als Symbol spezifische Wirkungen haben; sie können tröstend, beruhigend, entlastend, Halt gebend sein, z.B. die Imagination eines Baumes, eines inneren sicheren Ortes, eines Wohlfühlortes in der Natur.

Innere Bilder können eine ichstabilisierende Wirkung haben. So sind auch Symbolimaginationen zu verstehen: als ein Eintreten in Bilder, die voller Bedeutung sind, aufgeladen mit seelischen Energien. Jedes Bild, jedes Symbol kann uns in Kontakt bringen mit archetypischen Kräften.

Was ist ein Symbol?

Symbole sind Sinnbilder. Sie entstehen, wenn ein äußeres Objekt mit einem geistigen Inhalt, einem Sinn oder einer Bedeutung zusammengebracht wird. Jeder Gegenstand, jede Geste, jede Verhaltensweise kann symbolisch besetzt werden und Bedeutung gewinnen. So hat die kleine Geste, zur Begrüßung die offene Hand zu reichen, die uralte Bedeutung: »Ich komme ohne Waffe, bin dir nicht feindlich gesonnen.«

Symbole sind energetisch hoch aufgeladen und mobilisieren seelische Energien in Form von Gefühlen. Im Verständnis der von C. G. Jung entwickelten Analytischen Psychologie tragen Symbole unbewusste seelische Inhalte und Bedeutungen an das Bewusstsein heran.

Ein lebendiges Symbol wirkt heilsam und anregend aus sich heraus, um es aber in seiner ganzen Wirkung zu entfalten, ist es wichtig, seinen Sinn und seine Bedeutung zu erschließen, sodass eine Integration des Symbols in das Bewusstsein und in die jeweilige Lebenssituation möglich wird. So wird das Symbol zu einer Botschaft, die dem Denken, Fühlen und Erleben neue, erweiterte Perspektiven hinzufügt. Es stärkt auf diese Weise die Resilienz.

Die Seele stärken mit Symbolen

Symbole können uns helfen, Unbewusstes bewusst zu machen, Konflikte zu erkennen und zu überwinden. Sie erschließen uns neue Lebensperspektiven, fördern und begleiten unseren seelischen Wachstums- und Reifungsprozess, unsere Individuation. Wenn wir lernen, auf die innere Resonanz zu achten, die Symbole in uns hervorrufen, finden wir Zugang zu den heilenden und schöpferischen Kräften unserer Psyche.

Es gibt viele Symbole, die in Krisen und schwierigen Lebenssituationen besonders hilfreich und aufschlussreich sein können, etwa der Weg, das Labyrinth, der Baum, die Quelle, der Regenbogen. Sie können dazu dienen, sich selbst zu erkunden, die aktuelle Lebenssituation näher zu untersuchen und auf einer tieferen Ebene zu begreifen, welche Entwicklungsanforderungen und Lebensthemen gegenwärtig anstehen. Sie können die Zuversicht und die Entschlusskraft stärken, das Notwendige anzugehen.

Die Sonne – das innere Licht wieder hervorlocken

Die Sonne ist ein Symbol für Lebensenergie und Kraft. Sie kann allerdings auch zerstörerische Kräfte des Verbrennens bedeuten. Die Vereinigung von Gegensätzen ist etwas, durch das sich ein Symbol besonders auszeichnet. Sonnenlicht und Wärme sind für alles Leben auf unserem Planeten absolut lebensnotwendig. Entsprechend ist die Sonne in vielen Religionen das Symbol der höchsten Gottheit.

Das Symbol der Sonne ist außerordentlich vielfältig: Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, Winter- und Sommersonnenwende hängen zusammen mit den Mysterien von Sterben, Tod und Wiedergeburt, die bei verschiedenen Völkern mit vielfältigen Licht- und Feuerritualen besonders gefeiert wurden.

Ein bewusst erlebter Sonnenaufgang am Morgen kann die Hoffnungs- und Lebenskräfte auf besondere Weise stärken, lässt vielleicht auch die innere Sonne der Resilienz aufgehen – als heitere Stimmung, als Gefühl der Belebung, als Zuversicht. Dies kann in der folgenden Übung erfahren werden.


Übung: Sonnenaufgang – Mut und Zuversicht wecken

Stellen Sie sich für diese Übung eine Landschaft vor, die einen weiten, freien Blick über den Horizont erlaubt: eine Landschaft am Meer oder auf einem Berg oder in der Weite einer flachen Ebene, eine Landschaft, die Sie mögen.
Es ist noch dunkel, aber eine erste leichte Erhellung der Morgendämmerung ist bereits wahrnehmbar. Sie schauen nach Osten, beobachten, wie der Himmel sich langsam erhellt, und warten, innerlich ganz konzentriert, auf den Aufgang der Sonne. Morgenröte kündigt ihr Kommen an. Aber noch immer ist sie nicht erschienen. Plötzlich leuchten die ersten Strahlen am Horizont auf, erhebt sich die Sonnenscheibe. Die Strahlen der Sonne erreichen Ihr Auge, den ganzen Körper. Sie schauen und spüren, wie sich auch innerlich in Ihnen dunkle Wolken teilen und eine innere Sonne aufleuchtet, die Ihnen Mut und Zuversicht gibt. Der neue Tag ist ein Geschenk des Lebens. Sie verneigen sich, und beim Aufrichten öffnen Sie sich ganz bewusst den Erfahrungen und dem Licht dieses neuen Tages.


Der Weg – die Straßen des Lebens erkunden

Der Mensch ist ein Wesen auf dem Weg – ein homo viator. Er ist auf dem Weg durch Räume und Zeiten. Den Zeitraum zwischen Geburt und Tod nennen wir den Lebensweg eines Menschen. Immer sind wir unterwegs und im Übergang: von der Kindheit zur Jugend, von dort in die Lebenszeit des Erwachsenen, von der Lebensmitte zum Alter, vom Alter auf dem Weg zu Sterben und Tod.

Unsere Sprache bietet uns eine große Vielfalt an Bezeichnungen für die verschiedenen Arten von Wegen, auf denen wir unterwegs sein können, z.B.: Hinwege, Rückwege, Umwege, Schleichwege, Wanderwege, Höhenwege, Rundwege, Scheidewege, Pilgerwege, Luftwege, Fluchtwege, Rettungswege, Irrwege, Holzwege, Auswege … Und der Weg selbst, der beschritten wird, kann bequem oder steinig sein, sicher und mit Wegweisern gut ausgeschildert oder unsicher und unübersichtlich, gut gepflastert oder dornig und zugewachsen. Der Weg führt uns zum Ziel oder an einen Abgrund.

Sich auf den Weg zu machen kann bedeuten, ins Ungewisse zu gehen, nicht zu wissen, wo der Weg weitergeht und was auf mich zukommt. Es kann aber auch befreiend sein, einen neuen Weg zu suchen, Unbekanntes zu entdecken und dabei zu erfahren, wie die Seele wieder weit wird und das Herz befreiter ist. 


Übung: Unterwegs auf dem Lebensweg

Lassen Sie sich anregen, über Ihr eigenes Unterwegssein auf Ihrem Lebensweg und Ihre gegenwärtigen Erfahrungen mit schwierigen Wegabschnitten nachzudenken.

  • Nehmen Sie ein großes Blatt und zeichnen Sie Ihre Lebenslinie auf, so wie es Ihnen stimmig erscheint: gerade, gebogen, mit Höhen und Tiefen usw. Was waren besondere Wegabschnitte und Wendepunkte? Was für eine Art Weg war der Wegabschnitt für Sie, der gerade hinter Ihnen liegt? Wo stehen Sie gegenwärtig? Wie möchten Sie, dass der Weg weitergeht? Trauen Sie sich, den Weg in die Zukunft ein Stück weiterzuzeichnen.

  • Denken Sie einmal besonders über Ihren gegenwärtigen Streckenabschnitt auf Ihrem Lebensweg nach. Gibt es in der Nähe eine Raststätte, wo Sie ausruhen und Ihre Kräfte wieder stärken können?


Über die Autorin

Brigitte Dorst

Brigitte Dorst

Dr. Brigitte Dorst, Professorin für Psychologie, Jung’sche Analytikerin und Psychotherapeutin in eigener Praxis in Münster, ist Lehranalytikerin u.a. am C. G. Jung-Institut Stuttgart. Zu ihren…

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