Was ist Buddhismus?
Die buddhistische Mediationslehrerin Sylvia Wetzel über den Buddhismus und seine 4 Edlen Wahrheiten
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Der Begriff Buddhismus ist eine westliche Erfindung, in Analogie zu allerlei Ideologien und -ismen in Europa: Humanismus und Liberalismus, Marxismus und Sozialismus usw. Manche Gelehrte verwendeten in Anlehnung an »Christentum« eine Weile den Begriff Buddhatum. Das hat sich aber nicht durchgesetzt. Der Buddha lebte und lehrte vor etwa zweieinhalbtausend Jahren in Nordindien. Seine Lehren wurden ein paar Jahrhunderte lang mündlich übermittelt und erst kurz vor der Zeitenwende in den indischen Sprachen Pali und Sanskrit aufgezeichnet.
Ich verwende die Sanskrit Fachbegriffe, denn das ist die internationale Sprache des Mahayana. Im indischen Sanskrit spricht man von »Dharma«, von dem, was uns trägt (von skr. dhri, tragen).
Menschen im heutigen Europa fragen sich häufig: Ist Buddhismus eine Religion oder eine Philosophie, eine praktische Psychologie oder ein spiritueller Weg? Eine lebendige Religion ist für mich all das und noch vieles mehr, was wir in Worten und Begriffen weder ausdrücken noch fassen können.
Die Lehren und Übungen des Buddha wurden zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichen Kulturen in Ostasien übernommen und kulturell integriert, interpretiert und dadurch auch verändert. Seit über hundert Jahren befassen sich auch Menschen in Europa und in den USA mit verschiedenen buddhistischen Lehren und Übungen. Es gibt in diesem Sinn keinen »wahren«, »richtigen« oder »echten« Buddhismus, sondern viele historische und kulturellen Varianten, und das ist auch gut so.
Die Vier Edlen Wahrheiten
Der Buddha »erwachte« im nordindischen Bodhgaya aus dem Schlaf der Unwissenheit, d. h. aus der gedanklichen und emotionalen Fixierung auf Vorstellungen über sich selbst und die Welt. In seiner ersten Lehrrede in Sarnath, in der Nähe des heutigen Varanasi, lehrte er Vier Edle Wahrheiten – bzw. in den Worten des modernen Interpreten Stephen Batchelor vier Tatsachen –, die wahr sind für edle Menschen: Denn nicht die Wahrheiten sind edel, sondern die Menschen, die sie erkennen und annehmen für ihr Leben. Heute konnte man solche Menschen vielleicht bewusst, ethisch und verantwortungsvoll nennen. (Vgl. Batchelor, Stephen: Jenseits des Buddhismus. Eine säkulare Vision des Dharma. edition steinrich, Berlin 2017, S. 208ff.)
1. Leiden: Es gibt Leiden, natürliches und zusätzliches. Das muss man wahrnehmen und spüren und vor allem unterscheiden lernen. |
2. Ursachen: Die Ursache des natürlichen Leidens ist das Leben und die des zusätzlichen Leidens durch Gier, Hass und Verblendung in ihren 84 000 Varianten. |
3. Ende oder Aufhören: Leiden hört auf, wenn wir seine Ursachen erkennen, Verblendungen verringern und uns nicht mehr völlig mit unseren Erfahrungen identifizieren. |
4. Weg: Der Weg zum Ende des Leidens ist der Achtfache Pfad, eine lebenslange Übung in acht Bereichen des Lebens: Tiefe Einsicht und eine heilsame Einstellung geben Orientierung. Heilsames Verhalten mit Körper und Rede und ein heilsamer Lebenserwerb helfen uns, immer bewusster zu werden über unser Verhalten und seine Folgen für uns und andere. Dabei unterstützen uns regelmäßiges Üben, Achtsamkeit und Sammlung. |
Diese Vier Wahrheiten oder Tatsachen werden in unterschiedlichen Strömungen des Buddhismus unterschiedlich gewichtet. Man unterscheidet vor allem drei Fahrzeuge (yana): erstens den frühen Buddhismus, zweitens das allgemeine Mahayana mit dem Bodhisattva-Weg und drittens die Lehren zu Buddha-Natur, der Weisheit in allen und allem, mit dem Fokus auf einer reinen Sicht von allen und allem.