Türchen 19 – Die Tanne

Wie es der Tannenbaum in unsere weihnachtlichen Wohnzimmer geschafft hat, das erfahren Sie hinter unserem heutigen Türchen.

Advent Weihnachten Natur

O Tannenbaum, o Tannenbaum,
wie grün sind deine Blätter!
Du grünst nicht nur zur Sommerszeit,
nein, auch im Winter, wenn es schneit.
O Tannenbaum, o Tannenbaum,
wie grün sind deine Blätter.


»O Tannenbaum«, zunächst ein Liebeslied, wurde 1819 durch August Zarnack (1. Strophe) und 1824 durch Ernst Anschütz (2. und 3. Strophe) zum Weihnachtslied erhoben. Der neue Text spiegelt die Bedeutung des in vielen deutschen, vor allem protestantischen Wohnzimmern angekommenen Nadelbaums: das Weihnachtssymbol schlechthin, die Tanne, welche als Zweig, Kranz oder Baum die Advents- und Weihnachtszeit bestimmt. Die Tanne steht – durch den Schmuck veredelt – im Zentrum des Weihnachtsfests in Norddeutschland seit etwa 1800, in Süddeutschland verzögert im Verlauf des 19. Jahrhunderts als »Christbaum«, auch in Österreich seit 1816, in England seit 1840 und in den USA seit 1833. In Skandinavien tanzt die Familie am Heiligen Abend um den Baum (filmisch umgesetzt in Ingmar Bergmanns »Fanny und Alexander«), in Russland wird der Baum (jolka) seit etwa 1820 zu Silvester und nicht erst zu dem russisch-orthodoxen Weihnachtsfest am 7. Januar feierlich errichtet.

In europäischen Wäldern sind die Tannen (Abies sp.) allerdings rar: Auf hundert Fichten kommt nur eine Tanne. Zwar besiedelten Fichten ursprünglich nur höhere oder kältere Lagen, z.B. in Skandinavien, doch wurden sie seit dem 18. Jahrhundert auch bei uns großflächig angepflanzt und als Holzlieferant genutzt – die Bezeichnung »Brotbaum des Waldbesitzers« zeugt davon. Ausgedehnte Bestände an Tannen gibt es in Europa nur noch in den Pyrenäen, in Zentralfrankreich, in Polen und auf dem Balkan, in den Vogesen und im Schwarzwald (immerhin ansteigende Bestände).

Unterscheiden kann man die beiden Nadelgehölze dadurch, dass die Tannennadeln, die bis zu elf Jahre alt werden, weich sind und meist auf der Unterseite zwei helle Streifen tragen. Zudem stehen bei den Tannen die Zapfen, die verholzten Blütenstände der Koniferen, aufrecht nach oben und fallen nie als Ganzes ab, weil sie bereits am Baum zerfallen. Bei den sogenannten Tannenzapfen, die ja in der Weihnachtszeit sehr dekorativ eingesetzt werden können, handelt es sich also um Fichtenzapfen. Als Weihnachtsbaum bevorzugen jedenfalls drei Viertel der Käufer eine Tanne, genauer gesagt die Nordmanntanne (Abies nordmanniana), benannt nach dem finnischen Botaniker Alexander von Nordmann (1803–1866), der diese Tannen-Art auf seinen Exkursionen im Kaukasus entdeckte. Charakteristisch ist das besondere Grün der Nadeln und die lange Haltbarkeit. Sie wird heutzutage vor allem in Dänemark in riesigen Plantagen angebaut, welche pro Jahr etwa fünf Millionen Bäume für den Export liefern.

Bis ein Baum zwei Meter hoch ist, vergehen etwa zwölf Jahre. Vielleicht ist das Aufstellen eines lebenden Baumes im Topf – der allerdings nicht länger als zehn Tage im Zimmer stehen sollte – ja doch eine Alternative. Wer leidet beim Lesen von Hans Christian Andersens (1805–1875) Märchen »Der Tannenbaum« nicht mit dem Protagonisten, der nach vielen Jahren des Hoffens zum Weihnachtsbaum wird, den schönsten Abend seines Lebens als Mittelpunkt der Weihnachtsfeier einer großbürgerlichen Familie erlebt, um dann nach den Feiertagen lieblos entsorgt zu werden?

Der Tannenbaum im Ständer

Die meisten Weihnachtsbäume stammen aus weit entfernten dänischen Plantagen, haben damit einen langen Transportweg hinter sich (teilweise werden sie monatelang in Kühlhäusern zwischengelagert) und können deswegen fast kein Wasser mehr aufnehmen. Da die Nadeln sehr fest sitzen und auch ohne Wasser 14 Tage bei Raumtemperatur (nachts besser senken) auskommen, sehen die Bäume meist bis zum 6. Januar ganz ansehnlich aus. Eine Wassergabe, mit Glyzerin (30–50 ml auf 1 Liter Wasser), macht nur Sinn, wenn die Bäume frisch (selbst?) geschlagen wurden.

Aus dem Buch