Zum Tod von Huub Oosterhuis

Der niederländische Dichter und Theologe ist am Ostersonntag 2023 gestorben. Cornelis Kok, sein Übersetzer und vertrauter Freund, erinnert sein Leben

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Huub Oosterhuis, geboren am 1. November 1933 in Amsterdam, war ein vielseitiger Dichter, Schriftsteller, Denker und Macher. Als Dichter hat er seit den 1950er-Jahren Dutzende von Gedichtbänden veröffentlicht. Seine gesammelten Gedichte wurden kürzlich unter dem Titel »Handgeschreven«(»Handgeschrieben«) veröffentlicht.
Seit ich vor 60 Jahren als 15-Jähriger zum ersten Mal mit den Liedern von Huub Oosterhuis in Berührung kam, sind seine Texte, vor allem in ihrer gesungenen Form, für mich die erste und einzig mögliche Sprache des Glaubens geworden, weil sie gerade in ihrem Suchen und Tasten Halt und Trost bieten. Ich lernte bei ihm die Kraft und den wehrlosen Wert aller Poesie – inklusive der der Bibel – kennen.

Theologe, Dichter, Liedermacher

Nach dem Gymnasium trat der junge Huub in den Jesuitenorden ein und studierte Theologie und niederländische Sprache und Literatur. 1960 wurde er Pfarrer der Amsterdamer Studentengemeinde (heute »Ekklesia Amsterdam«). Er schrieb zahlreiche Texte und Lieder für eine neue Liturgie in niederländischer Sprache. Dabei spielte die Bibel eine immer wichtigere Rolle. Nicht als fertiges und unerschütterliches, vom Himmel gefallenes Wort Gottes und als Beleg für eine jahrhundertelang unverrückbare kirchliche Lehre, sondern als »Buch von Menschen über Menschen«, als eine »unvollendete Geschichte«, die ganz im Zeichen der Befreiung steht. Seine Texte wurden bald in weiten kirchlichen Kreisen im In- und Ausland anerkannt und beliebt, nur nicht von offiziell kirchlicher Seite.
Huub Oosterhuis heiratete und wurde 1970 aus dem Jesuitenorden entlassen. Seine Gemeinde, die ihn nicht gehen lassen wollte, existiert seitdem außerhalb der Verantwortung der zuständigen Bischöfe.
Oosterhuis’ liturgisches Werk fand in Übersetzung auch den Weg in den deutschsprachigen Raum, wo er 2014 als zweiter Nicht-Deutscher (nach dem Schweizer Protestanten Kurt Marti) den renommierten »Predigtpreis« für sein Gesamtwerk erhalten hat. In den Niederlanden wurde ihm 2002 die Ehrendoktorwürde der Freien (protestantischen) Universität Amsterdam verliehen. Einige Dutzend seiner Texte und Lieder sind auch in englischer Sprache erschienen.

Häuser, »wo alles wohnt«

Für seine Gemeinde suchte Huub Oosterhuis immer nach Orten des Lernens und Lesens, des Feierns und Singens, des Nachdenkens und der Diskussion. Dort sollten die großen Fragen des Glaubens, der Philosophie, der Sprache, der Politik und der Gesellschaft im gemeinsamen Ringen zur Sprache kommen. Zu diesem Zweck gründete er nacheinander Begegnungshäuser: »De Populier« (»Die Pappel«), aus der De Balie (»Der Schalter») hervorging, später »De Rode Hoed« (»Der Rote Hut«), ein Zentrum für religiöse Kultur. 2011 eröffnete er »De Nieuwe Liefde« (»Die Neue Liebe«). Sie sind inzwischen alle bekannte Amsterdamer Kulturhäuser. Er nannte sie »Häuser, wo alles wohnt«. Aber er selbst musste sich mit seiner Gemeinde und seinem »Lehrhaus« immer wieder daraus zurückziehen, da sie gezwungen waren, sich durch deren Vermietung am Leben zu halten.
Huub Oosterhuis war auch Initiator der noch überall aktiven School voor Poëzie (»Schulen der Poesie«) und eines großen niederländischen Poesiepreises sowie Chefredakteur der ehemaligen Zeitschriften Werkschrift, Roodkoper und Nieuwe Liefde Magazine. Mit unseren Musikern produzierte ich etwa 50 CDs mit seinen Liedern – in deutscher Übertragung auch mit der Schola Kleine Kirche in Osnabrück – und organisierte etwa 200 »Liedtage« in den Niederlanden und im deutschsprachigen Raum.

Eine neue Welt zu schauen

Als Theologe und Liturgiker fand ich während meinem Studium bei Huub Oosterhuis ein geistliches Zuhause und danach auch eine Arbeitsstelle in seiner Gemeinde und in der ihr angeschlossenen Stiftung »Lehrhaus und Liturgie«. Ich lebe mit seiner Theologie, einer Theologie, die eher poetisch als prosaisch, eher suchend und fragend als dogmatisch und sicher ist. Das Herz dieser Theologie ist die biblische Befreiungsgeschichte des Exodus, der immer wiederkehrende Refrain in seinen Liedern. Urkunde dieser Geschichte ist die Tora, die Lebenslehre, zusammenge-fasst in den »Zehn Worten«, die in der Wüste durch Mose an Israel gegeben und uns Nicht-Juden via Jesus weitergegeben wurden.
Zu seinem 90. Geburtstag in diesem Jahr hatten wir im Patmos Verlag die Veröffentlichung eines Essays vorbereitet, der zum ersten Mal auf Deutsch erscheinen wird und Huubs Antwort darauf enthält, wie die biblische Überlieferung heute noch seine Hoffnung ist. Er wird nun als sein Vermächtnis erscheinen: Huub Oosterhuis »Geworfen in die Weite. Meine Hoffnung«. Sein Buch endet mit einem Gedicht über seine Hoffnung:

Eine neue Welt zu schauen,
einen Weg zu gehen, weltweit,
um ein unbeschwerter, laut’rer
Mensch zu sein in neuer Zeit.
Einer Stimme angehören,
einem Namen, der befreit,
immer diesen Namen hören.

Um in schwarzer Nacht und Nebel,
Tagen ohne Morgenrot,
in Gefahr des eignen Lebens
nicht zu flüchten in den Tod.
Dass wir unsre Seelen kehren
nach dem Land von Brot und Wein,
das wir uns dorthin bekehren.

Dass wir unsren Weg von Tagen
reuelos zu Ende gehn,
dass wir willig sind zu tragen,
tun, ohne uns umzusehn –
unsre Toten nicht verschweigen,
für das Recht geradestehn,
und nunmehr in Frieden schweigen.


Cornelis Kok

Cornelis Kok

Cornelis Kok, geb. 1948, enger Vertrauter von Huub Oosterhuis und Übersetzer seiner Werke ins Deutsche, ist seit 2021 Vorsitzender der niederländischen »Huub Oosterhuis Stiftung« zur Pflege und…

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