»Innerhalb von Ordnung kann Geborgenheit entstehen«
Claudia Duwe im Gespräch über Resilienz und was ihr in Ausnahmesituationen hilft. Aus unserer Reihe »Was stärkt uns in Krisenzeiten«
Resilienz Interview Entspannung AuszeitWir leben in äußerst herausfordernden und belastenden Zeiten. Viele Menschen fragen sich, was sie tun können, um seelisch unbeschadet durch diese schwierigen Zeiten zu kommen.
In unserer kleinen Interview-Reihe »Was stärkt uns in Krisenzeiten?« sprechen wir mit Menschen, die sich seit vielen Jahren eben dieser Frage auf ganz unterschiedliche Weise genähert haben. Sie erzählen uns, was ihnen in Ausnahmesituationen hilft und wie sie ihre Resilienz stärken, ihre seelischen Widerstandskräfte fördern.
Heute im Gespräch: Dr. Claudia Duwe
Dr. Claudia Duwe, geboren 1974, ist Mutter einer Tochter, Diplom-Medienwirtin, Autorin und Coach. Sie studierte Medien- und Kulturwissenschaften an den Universitäten Siegen und Birmingham, Großbritannien, und promovierte 2003 an der Universität Siegen im Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften.
Nach langjähriger Berufspraxis als Kommunikationsreferentin absolvierte sie zwei Coach-Ausbildungen in Heidelberg (Deutsche Coaching Gesellschaft 2013) und München (Pierre Franckh, Ausbildung zum »Erfolgreich-Wünschen-Coach« 2015).
Heute lebt sie in Ostfriesland und schreibt Ratgeberbücher zu Motivation und Alltagsbewältigung.
Lebe gut: Frau Duwe, was stärkt Sie in Krisenzeiten?
Claudia Duwe: Immer wieder der Versuch, zur Ruhe zu kommen und eine gewisse »Ordnung« herzustellen, dort wo ich es kann. Meist ist das zuhause, also zum Beispiel ein Zimmer aufräumen, eine Ecke im Haus neu dekorieren oder ein Beet im Garten schön bepflanzen. Und dann in Ruhe Kaffee trinken und diese Ordnung genießen. Egal wie also draußen der Sturm tobt, ich kann einen Teil der Welt in Ordnung bringen – auch wenn es nur ein ganz kleiner ist. Das tröstet mich irgendwie – und innerhalb dieser Ordnung kann Geborgenheit entstehen. Das macht es leichter, der Krise mit Kraft und neuen Ideen zu begegnen.
Lebe gut: Wenn Ängste und Sorgen doch überhandnehmen – zu welchen »Notfallmaßnahmen« greifen Sie?
Claudia Duwe: Erste Notfallmaßnahme ist immer Gemütlichkeit, zum Beispiel Kaminfeuer und heißer Tee. Dazu soll es bitte draußen aus Kübeln schütten. Ich kuschele mich aufs Sofa und schaue einfach nur raus.
Ich glaube, dass wir uns die Zeit geben sollten, bewusst wahrzunehmen, was die Ängste und Sorgen eigentlich in uns auslösen. Nicht unbedingt lange analysieren – einfach fühlen. Ich bin kein Freund davon, sich sofort alles »schön« zu reden, ohne den Schmerz oder die Fassungslosigkeit erstmal zuzulassen. Jammern, klagen, toben, alles ist erlaubt – nur aufgeben nicht. Sobald es uns wieder möglich ist, können wir Ausschau halten, welche neuen Möglichkeiten und Wege sich durch die Krise (hindurch) ergeben. Ich bin davon überzeugt, dass in einer Krise ein Geschenk liegt. Aber es kann eine riesige Herausforderung sein, es zu erkennen und als solches anzunehmen.
Lebe gut: Schauen wir gemeinsam in die Zukunft: Was wünschen Sie sich für sich und Ihre Mitmenschen?
Claudia Duwe: Mehr Zuversicht. Doch woher nehmen, wenn nicht stehlen? Da fängt jeder am besten bei sich selbst und ganz von vorne an. Ich mache mir so oft es geht die kleinsten Dinge bewusst, für die ich dankbar bin. Das stärkt das Vertrauen, dass Gutes möglich ist und auch wieder mehr werden kann.
Und ich wünsche mir, dass wir wieder freier leben können. Ich wünsche mir, dass Kinder begeistert in eine Zukunft voller Möglichkeiten schauen können – und Erwachsene natürlich auch! Dass Vielfalt, Respekt und Frieden unantastbare Grundwerte sind, und auch, dass wir uns wieder bewusst machen, wie kurz und wertvoll unsere Zeit ist. Es kann nicht alles gewesen sein, tagsüber sorgenvoll zu funktionieren und abends vor dem Fernseher einzuschlafen. Irgendwo dazwischen sollten wir zumindest mal ein Apfelbäumchen pflanzen.
Frieden, ich kann dich nicht begreifen, nur erahnen
weiß deine Maße nicht, nur deinen Maßstab
kann dich nicht kalkulieren, denn für dich gibt es keine Zahl.
Kann dich nicht zwingen, nur meine Arme öffnen
dich nicht knechten, weil keine Kette dich hält
dich nicht auslöschen, denn du hast tausend Leben.
Frieden, lass mich dich atmen, schmecken, fühlen
halt mir die Tür auf, wenn es draußen stürmt
tröste mich, wenn ich dich verraten habe.
Nimm mich auf und nimm mich ein
zeig mir, wer ich sein kann
lass mich bleiben
ich will bei dir zuhause sein.
Claudia Duwe