Pilgern für daheim
Wir nehmen alle, dessen Füße nicht mehr tragen können oder wollen, heute mit auf eine Reise voller Dankbarkeit.
Inspiration Achtsamkeit Dank AuszeitDen Jakobsweg bis Santiago de Compostela zu gehen, ist eine allumfassende, tiefgreifende Erfahrung. Seit Jahrhunderten gehen Menschen diesen Pilgerweg, und seit den 1970er Jahren ist ihre Zahl beständig gewachsen auf bis zu 200.000-300.000 pro Jahr. So viele Menschen lassen sich am Ziel in der Kathedrale von Santiago de Compostela die compostela, die Bestätigungsurkunde ihrer Pilgerschaft, ausstellen und reisen dann wieder nach Hause. Doch wie geht es nun weiter? Was bleibt von der Pilgerschaft?
Peter Müller ist Theologe, Pädagoge und erfahrener Pilgerbegleiter. Auch er hat sich nach seiner ersten Ankunft in Santiago de Compostela die Frage gestellt: »Ich bin als Pilger angekommen – und jetzt?« Der baskische Palottiner-Pater Angel de Aranguiz, ein Freund und Kenner des Jakobswegs, antwortete ihm darauf: »Geh heim und lebe als Pilger; denn der eigentliche Pilgerweg ist der Alltag des Lebens.«
Für diesen Weg durch den Alltag des Lebens hat Peter Müller nun einen ganz besonderen Pilgerführer geschrieben. Für alle, die nicht (mehr) pilgern können oder möchten, bietet dieser Wegweiser für daheim bereichernde Alternativen. Wie lassen sich einstige Pilgererfahrungen nach der Heimkehr integrieren? Und wie können »innere Pilger« zur Ruhe, zur Neuorientierung gelangen, ohne hierfür eine weite Wanderung zu unternehmen?
In zehn Wochenthemen mit Ritualen, spirituellen Impulsen und ermutigenden Geschichten werden sowohl Pilgertage daheim als auch vor der Haustür möglich: Tankstellen für Leib, Geist und Seele im Alltag. Peter Müller nimmt Sie heute mit – auf eine Reise voller Dankbarkeit, eines seiner Wochenthemen für das »Pilgern im Alltag« und lassen Sie sich so für Ihren Alltag inspirieren.
WOCHENTHEMA »DANKBARKEIT«
Pilgersegen
Ich sage danke
Für ein offenes Ohr
das Zeit hat zuzuhören
Zwischentöne wahrnimmt
und annehmen kann.
Für ein offenes Wort
das tröstet
ermutigt
froh macht.
Für einladende Zeichen
zu kommen
mitzugehen
zu bleiben.
Für ein engagiertes Handeln
das Menschen achtet
die Not lindert
den Sinn im Leben erkennen lässt.
Für ein treffendes Wort
einen verwurzelten Glauben
eine gelebte Hoffnung
eine zuwendende Liebe.
Für ein ermutigendes Miteinander
eine Freude und Dankbarkeit
die Himmel und Erde verbindet.
Peter Müller
Dankbar sein macht Freude
Können wir Dankbarkeit lernen? Danken kommt von denken. Wer bewusst nachdenkt und seine Aufmerksamkeit immer wieder auf das ausrichtet, was um ihn ist, was sein Leben bereichert, was er erlebt hat und was er ist, der begibt sich auf den Weg der Dankbarkeit. In jedem Augenblick können wir einen unendlichen Reichtum entdecken, vom Zwitschern der Vögel über das ermutigende Wort, die herbstlich gefärbten Bäume oder ein bereicherndes Gespräch. Wer seine Gedanken wieder bewusst auf solche Dinge richtet, wird erleben, dass den Gedanken das Gefühl folgt: Ich bin zufrieden und dankbar für das, was ich habe und erlebe.
Dankbarkeit ist ein spiritueller Weg, der uns herausfordert, mit neuen Augen unser Leben, die Mitmenschen und die Schöpfung Gottes zu betrachten. Ein Weg, der zu der Erkenntnis führt, dass das Leben ein Geschenk ist, mit Höhen und Tiefen.
Wir sind eingeladen, Dankbarkeit zu üben.
Dankbar sein für alles Schöne in der Natur, Familie, Freunde, Gesundheit, Fähigkeiten, Mitmenschen, den heutigen Tag und vieles mehr
Dankbar sein, wenn wir an das Unterwegssein als Pilger oder jetzt im Alltag denken. Da gibt es viele kleine Dinge, für die man danken kann: für ein Lächeln, einen netten Gruß, einen Schluck Wasser, eine spontane Hilfe, das aufmerksame Zuhören, ein offenes und klares Wort, einen ermutigenden Tipp.
Dankbar sein auch für die Schwierigkeiten des Lebens: Ärgerliches, Misslungenes und schwere Stunden. Schauen wir dabei auch auf ihre positiven Seiten und was sie uns – bei allen Schwierigkeiten – an Fähigkeiten und Entwicklung gebracht haben. Sie helfen, achtsamer zu sein, sich nicht ständig zu ärgern oder alles zu beklagen, sondern zu fragen: Wozu ist das gut? Was lerne ich daraus?
Eine kleine Übung: zu mehr Dankbarkeit in 3 Schritten
1. INNEHALTEN – Ich unterbreche meine Tätigkeit, lasse alles liegen und stehen, halte inne und richte meine ganze Aufmerksamkeit darauf, ruhig zu werden. Ich schließe meine Augen und achte auf mein Atmen. Ich richte mein Bewusstsein ganz auf das Geschenk des Atems. |
2. SCHAUEN – Ich schaue auf das, was mein Leben mir in diesem Moment bietet. Ich nehme die Einladung an, mich dankbar zu fühlen, für das, was ich in meinem Leben bisher erlebt habe. Ich lasse diese Erinnerungen und Gefühle in mir wach werden. Nach einiger Zeit habe ich den Wunsch, einige Begebenheiten als Erinnerung zu notieren. |
3. HANDELN – Es gibt Situationen, in denen ich für etwas dankbar sein könnte oder sollte, es aber nicht bin. Warum? Vieles in meinem Leben ist mir so zur Selbstverständlichkeit geworden, dass ich gar nicht auf die Idee komme, mich zu bedanken. Ich versuche mich an Situationen zu erinnern, in denen mir geholfen wurde, sehe das Handeln des anderen Menschen nicht als selbstverständlich an, sondern ich stelle mir vor, dass das, was er tut, ein besonderes Geschenk für mich ist. |
Abendimpuls – Den Tag gut beenden
Ich halte inne
am Ende dieses Tages
und achte auf mein
Ein- und Ausatmen
damit ich in Stille
das Mühsame und Beglückende
des Tages anschauen kann.
Während mein Atem
kommt und geht
erinnert er mich
an den Lebensatem Gottes
»Gott atmet in allem, was lebt«
in allem, was mir heute begegnet ist.
Ich danke heute
für mein aufmerksames Atmen
für meine ersten Schritte in den Tag
für alles, was ich heute erlebt habe
für meine gelungene Arbeit
für die Schönheiten in der Natur
für die Menschen, die mir begegnet sind
für alles, auf das ich verzichtet habe
für Gottes Segen
seinen Schutz
seine Begleitung.
Peter Müller