Über das Glück und drohende Konflikte des Vaterseins heute
Die Psycho- und Kindertherapeutin Dr. Josephine Schwarz-Gerö spricht im Interview darüber, wie ein Vater seine Rolle so ausfüllen kann, dass es allen in der Familie gut geht
Interview Ratgeber Kindererziehung FamilieEin Papa ist keine Mama
Lebe gut: »Ein Papa ist keine Mama« – wie sind Sie auf diesen Buchtitel gekommen, der ja zunächst beinahe zu banal klingt, um ihn als Tatsache oder gar Erkenntnis zu formulieren?
Dr. Josephine Schwarz-Gerö: Der Titel ist eigentlich ein Satz, der direkt so im Fließtext des Buches steht. Im dortigen Zusammenhang habe ich versucht, die Sichtweise des Kleinkindes einzunehmen. Nämlich im Hinblick auf den so wichtigen Entwicklungsschritt der Verselbstständigung. Die Andersartigkeit des Vaters und dessen Unterschied zur Mutter ist dem Kind bei dieser Entwicklungsaufgabe eine besonders große Hilfe . Meinem Verlag hat dieser Satz gut gefallen. Möglicherweise auch deshalb, weil ihn jeder auf seine eigene Weise zu interpretieren scheint. Jeder liest ihn aus seiner eigenen Sicht. Die Reaktionen, die ich persönlich darauf erlebt habe, reichen von »Das ist doch eh klar« (ein Opa) über »Endlich sagt das jemand« (eine kinderlose Dame) bis zu »Jetzt haben wir uns so bemüht, dass die Väter mithelfen...« (eine feministische Mutter). Einmal gab es nur einen langen Blick, ein Nicken und dazu ein Wort: »Mutig!« (eine politisch aktive Familientherapeutin). Inzwischen warte ich direkt gespannt auf die jeweiligen Reaktionen. Diese sagen viel über die Grundhaltung des Anderen aus.
Lebe gut: Was war Ihre Motivation, ein Buch über Väter zu schreiben?
Dr. Josephine Schwarz-Gerö: Meine Arbeit mit Vätern. Ich habe 25 Jahre lang eine Säuglingspsychosomatik im Wilhelminenspital in Wien geleitet. In den ersten drei Jahren kommt Vätern bei vielen Problemen eine absolute Schlüsselstellung zu. Sie sind fast so etwas wie ein Wunder- und Heilmittel zugleich. Ich wollte Eltern mit diesem Buch ein Werkzeug zur Verfügung stellen, um diesen Schatz auch heben zu können. In einer Zeit so großer gesellschaftlicher und medizinischer Veränderungen scheint mir das besonders wichtig. Die Startbedingungen junger Familien haben sich verändert. Man denke nur an Hormontherapien, In-vitro-Fertilisation und die Intensivbetreuung immer jüngerer Frühgeborener.
Warum das Vatersein nicht an ein Geschlecht gebunden ist
Lebe gut: Ist es für ein Baby wichtig, dass Papa ein Mann ist – oder ist es nicht viel entscheidender, dass es für das Kind überhaupt eine Alternative zur Mama gibt – also eine weitere bzw. andere Person, die allein durch ihre Verschiedenheit zur Mutter den Horizont des Babys erweitert?
Dr. Josephine Schwarz-Gerö: Die Vaterrolle ist nicht geschlechtsgebunden. Verallgemeinernd gesagt, ist es die Rolle des Dritten. Nicht der Dritte selbst ist die Alternative, sondern er eröffnet – eben durch sein „Anderssein“ - dem Kind alternative Sichtweisen, weitere Möglichkeiten und andere Lösungswege. So ein „Anderssein“ kann sich schon in Kleinigkeiten äußern, wie einem Zweijährigen nicht mehr automatisch die Schuhe anzuziehen. Alleine indem der Vater zuwartet oder die Schuhe dem Kind zur Hand reicht, setzt er eventuell bereits eine andere Priorität und Reihenfolge. Bei kleinen Kindern kann das eine ganze Kaskade von neuen Entwicklungsfortschritten in Gang setzen.
Der beste Ratgeber bleibt das eigene Kind
Lebe gut: Was raten Sie abschließend Vätern (aber auch Müttern), die es bei der Erziehung Ihres Kindes »besser machen« wollen, als sie es womöglich von ihren eigenen Eltern erfahren haben, die aber aufgrund der Vielzahl an Ansprüchen, Ratschlägen und auch Ratgebern letztlich eher desorientiert sind?
Dr. Josephine Schwarz-Gerö: Der kompetenteste Ratgeber ist immer das Kind selbst. Das ist der eigentliche Spezialist. Schon kleinste Babys können Zustimmung oder Ablehnung signalisieren. Nehmen Eltern die »Meinung« eines Kindes ernst und finden mit ihm dann gemeinsame Lösungen, so können sie sich nie wirklich verlaufen. Diese Maxime gilt für Babys und Kleinkinder ebenso wie für ältere Kinder und Jugendliche.