Weihnachten – ein Fest der Rituale

Jede Familie hat zu den Festtagen ihre ganz eigenen Vorstellungen und Traditionen. Geht es überhaupt noch um Jesu Geburt oder haben sich unsere Traditionen verändert? Ein Zwischenruf von Lukas Niederberger

Inspiration Advent Weihnachten Glaube

Weihnachtslust – Weihnachtsfrust

Weihnachten wird seit dem 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung gefeiert. Die Tatsache, dass die christlichen Kirchen 400 Jahre lang ohne Weihnachtsfeiern auskamen, erlaubt durchaus die Frage, ob und wie man heute die Geburt Jesu sinnvoll und stimmig gestalten kann und soll. Gerade weil unser bürgerliches Weihnachtsfest mit starken Emotionen, Erwartungen und Erinnerungen verbunden ist und weil sich kulturelle und soziale, religiöse und familiäre Veränderungen speziell an diesem Fest offenbaren, ist das Verhältnis zu diesem Fest bei vielen Menschen unabhängig von ihrem Glauben zwiespältig:

»Die sentimentale Verkitschung und totale Kommerzialisierung von Weihnachten in den Kaufhäusern stößt mich ab« (♀, 49 Jahre).

»Weihnachten ist für mich ein schönes Familienfest, wo wir zusammen essen, uns beschenken und miteinander diskutieren« (♂, 57 Jahre).

»Weihnachten feiern wir mit den Kindern, Schwiegertöchtern und Schwiegersöhnen ohne spirituellen oder kirchlichen Gehalt. Früher widmete ich mich als Hotelier gerne den alleinstehenden Gästen am Tisch« (♂, 80 Jahre).

»An Heiligabend lesen wir das Lukas-Evangelium, singen Weihnachtslieder und erzählen uns Weihnachtsgeschichten. Dann gestalten wir die Bescherung und kochen ein feines Fischgericht. Weihnachten ist definitiv das schönste Ritual im Jahr« (♀, 48 Jahre).

»In den Wochen vor Weihnachten schreibe ich immer ein Weihnachtsgedicht. So kann und muss ich mich immer wieder neu fragen, was mir dieses Fest der Feste bedeutet« (♂, 57 Jahre).

»Ich habe keine Lust, jedes Jahr einen Christbaum aufzustellen. Ich tue es einzig für meine Kinder und weil ich ja eine gute Mutter sein will« (♀, 49 Jahre).

»An Weihnachten erscheint es mir relevant, ob Kinder da sind oder nicht. Ich empfinde es wichtig, dass wir den Kindern Rituale mitgeben, denn sie erinnern uns an unsere religiöse und kulturelle Herkunft« (♀, 44 Jahre).


Weihnachten habe ich in unterschiedlichsten Formen, an zahlreichen Orten, in diversen Gruppen sowie mit starkem und auch ohne jeglichen Bezug zur Jesusgeburt erlebt und gefeiert. Als junger Jesuitenpater fand ich es sehr Jesus-like, Heiligabend mit den Obdachlosen in München und Paris unter Brücken und in Metrostationen zu feiern. Heute halte ich das eher für Kompensationsrituale und finde es wichtiger dafür zu sorgen, dass diese Menschen an den übrigen 364 Tagen des Jahres zu ihren Rechten und zur staatlich garantierten Unterstützung gelangen.

Da meine Partnerin an einem 24. Dezember geboren wurde, lege ich den Akzent an diesem Tag mehr auf ihren Geburtstag als auf die Geburt Jesu. Aber ich setze mich jedes Jahr ernsthaft mit der Frage auseinander, was die Gottesgeburt auf Erden für die Welt, für die Menschheit und für mich persönlich bedeutet. Jedes Jahr entdecke ich neue Aspekte und Facetten. Und dass dieses Geschehen für mich immer noch etwas Geheimnisvolles, Unbegreifliches und Unaussprechliches behalten hat, freut mich an Weihnachten am meisten.

  • Welche Weihnachtsrituale finde ich besonders schön, stimmig und hilfreich?
  • Welche Weihnachtsrituale möchte ich verändern oder aufgeben?
  • Welche Weihnachtsrituale möchte ich bewusst neu einführen?

 

Ihr Lukas Niederberger

Über den Autor

Lukas Niederberger

Lukas Niederberger

Lukas Niederberger lebt auf der Rigi in der Schweiz und wirkt als Ritualbegleiter und Kursleiter. Er unterstützt Einzelpersonen, Paare und Organisationen bei der Gestaltung bedeutsamer Übergänge und…

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